Am vergangenen Donnerstag hat auch der nordrhein-westfälische Besoldungsgesetzgeber in der 77. Plenarsitzung der aktuellen Legislaturperiode mit der Einführung von § 71b in das Besoldungsgesetz des Landes eine Regelung vollzogen, mit der er offen verfassungswidrig auf das Familieneinkommen seiner Beamten zurückgreift, um damit neben dem Alimentationsprinzip aus Art. 33 Abs. 5 GG ebenso die auch ihnen und ihrer Familie gegebene Eigentumsgarantie unserer Verfassung aus Art. 14 Abs. 1 GG nicht mehr hinreichend zu gewährleisten, den besonderen Schutz von Ehe und Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG zu missachten und das Gleichheitsgrundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht mehr als automatisch für den Dienstherrn bindend zu betrachten. [1] Dieser gezielte Anschlag auf unsere Rechtsordnung spitzt sich in einem Satz des Ministers der Finanzen zu, den er am Tag zuvor in einer aktuellen Stunde der 76. Plenarsitzung hinsichtlich der Leistungsberechtigung nach § 71b wie folgt formuliert hat:
„Wir gehen davon aus, dass wir in einem niedrigen vierstelligen Bereich Fälle haben könnten, in denen überhaupt es in Frage kommt, dass ein Antrag erfolgreich ist aufgrund dieser Regelung.“ [2]
Mit dieser Ausführung hat er klargestellt, dass die Landesregierung in der Begründung des Gesetzes zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge in den Jahren 2024 und 2025 sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften im Land Nordrhein-Westfalen von mindestens deutlich mehr als 1.000 Fällen ausgeht, denen nun nach § 71b des Besoldungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen ein sogenannter Ergänzungszuschlag zum Familienzuschlag zu gewähren sein wird, obgleich auch ihm nicht verborgen geblieben sein konnte, dass eine solche Regelung nicht mit der Verfassung in Einklang zu bringen ist. Denn am 30. September ist den Fraktionsvorsitzenden und Parlamentarischen Geschäftsführern der im Landtag vertretenen Parteien (jeweils ohne jenen der Partei Alternative für Deutschland) die folgende Mail mitsamt dem unten verlinkten Anhang gemeinsam zugesandt worden. Ihre Veröffentlichung an dieser Stelle ist ihnen an deren Ende angekündigt worden. Mit Ausnahme der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen haben die anderen Fraktionen ihren Eingang am 1. und 2. Oktober wie erbeten bestätigt.
„Betreff: LT-Drs. 18/9514 Neudruck v. 06.06.2024
Sehr geehrte Frau Vorsitzende, sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Frau Abgeordnete, sehr geehrter Herr Abgeordneter,
in den abschließenden gemeinsamen Beratungen der letzten Woche haben die maßgeblichen Ausschüsse ihre Voten für die Annahme des oben genannten Gesetzentwurfs abgegeben. Dabei nahmen insbesondere Abgeordnete der Regierungskoalition Bezug auf die im Anhörungsverfahren erfolgte Stellungnahme des ehemaligen Richters am Bundesverfassungsgericht, Herrn Prof. Dr. Huber. Sie wiesen berechtigt auf seine herausgehobene sachliche Expertise hin, missverstanden aber seine Stellungnahme nicht nur hinsichtlich des geplanten Ergänzungszuschlags zum Familienzuschlag gründlich. Seine Argumentation lässt sich hier in zwei Schritten zusammenfassen:
– Der geplante Ergänzungszuschlag zum Familienzuschlag sei zunächst einmal entweder als eine salvatorische Klausel zu verstehen, die als solche verfassungsrechtlich nur in atypischen Sonderfällen zur Anwendung gebracht werden könne, welche zwangsläufig nicht über eine Anzahl an Einzelfällen hinausreichen dürften; oder er sei eine Art Rechentrick, der als solcher verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen sei (vgl. APr 18/653 v. 05.09.2024, S. 6).
– Er sei darüber hinaus ein ‚Bürokratiemonster‘, das zu einer Einzelfallbetrachtung von Tausenden von Fällen führen müsse (APr 18/653 v. 05.09.2024, S. 17).
Fügt man beide Aussagen zusammen, gehen Herr Prof. Huber genauso wie Abgeordnete und Sachverständige zunächst einmal von einem ‚Bürokratiemonster‘ aus. Da weiterhin knapp 30 % aller in Deutschland lebenden Familien Alleinverdienerhaushalte sind, muss eine Einzelfallbetrachtung von Tausenden von Fällen zwangsläufig deutlich mehr als nur wenigen Einzelfällen einen Ergänzungszuschlag zum Familienzuschlag bewilligen. Damit aber sind nicht atypische Sonderfälle, sondern zu typisierende Regelfälle zu betrachten. Sie dürfen verfassungsrechtlich nicht mit einer salvatorischen Klausel geregelt werden.
Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung zur Parteienfinanzierung – absolute Obergrenze noch unter Mitwirkung von Herrn Prof. Huber die Begründungspflichten des Gesetzgebers in jenen Fällen präzisiert, in denen ein fester und exakt bezifferbarer Betrag der Verfassung nicht unmittelbar zu entnehmen ist (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 24. Januar 2023 – 2 BvF 2/18 –, Rn. 1-165, https://www.bverfg.de/e/fs20230124_2bvf000218.html). In diesen Fällen bedarf es nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats der prozeduralen Sicherungen, damit die verfassungsrechtliche Gestaltungsdirektive tatsächlich auch eingehalten wird; deshalb treffen ebenso den Besoldungsgesetzgeber besondere Begründungspflichten (vgl. nachfolgend Kluth, NVwZ 2023, 648 <649 f.>, und Schwan S. 3 ff. unter: https://www.berliner-besoldung.de/wp-content/uploads/2023/03/Weitere-Normenkontrollantraege-vor-der-Entscheidung-5.pdf). Die Präzisierung der Rechtsprechung betrifft nicht den geklärten Sachverhalt, dass neben der Anhörung und der Beratung in den Ausschüssen ebenso die Plenardebatte eine begründende Funktion hat. Sie findet sich vielmehr in der Aufklärung, wie mit nachträglichen Begründungen zu verfahren ist, die weder im Gesetzentwurf noch im weiteren Gesetzgebungsverfahren zur Begründung herangezogen wurden. Ihre Geltendmachung stellt angesichts der Begründungspflicht des Gesetzgebers ein unzulässiges Nachschieben von Gründen dar (Rn. 149 i.V.m. Rn. 131 m.w.N.) Als Folgen können sie nicht zur gerichtlichen Kontrolle herangezogen werden und sind hier entsprechend gegenstandslos (Rn. 160 i.V.m. Rn. 131 m.w.N.).
Der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht betrachtet nun in der Anhörung genauso wie weitere Sachverständige den geplante § 71b als einen Rechentrick, wie er das in der Darstellung der beiden prinzipiell möglichen Alternativen auf der Seite 6 auslegt:
‚Diesen Ergänzungszuschlag zum Familienzuschlag hat Frau Weber als Rechentrick stigmatisiert. Es ist in gewisser Weise ein Rechentrick. Man kann ihn aber auch als salvatorische Klausel für Einzelfälle verstehen, die nicht den typischen Fall ausmachen, in dem das Abstandsgebot zur sozialen Grundsicherung gewährleistet werden muss. Solange sich das auf Einzelfälle beschränkt, sehe ich da keine Einwände und Bedenken.‘
Denn da eine sich auf Tausende von Fällen erstreckende Einzelfallbetrachtung in der sozialen Gefasstheit der nordrhein-westfälischen Gesellschaft mit knapp 30 % Alleinverdienerhaushalten und im Angesicht eines weiterhin eklatant verletzten Mindestabstandsgebots zwangsläufig nicht zu dem Ergebnis von nur wenigen leistungsberechtigten Einzelfälle gelangen kann, sieht Herr Prof. Huber hier entsprechend formulierte Einwände: Ein Rechentrick lässt sich verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen, was auch dann nicht der Fall ist, sofern im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens sachlich geäußerte Kritik ggf. nicht als solche erkannt wird. Für die den Besoldungsgesetzgeber treffenden prozeduralen Anforderungen hat ein solches Missverständnis keine Relevanz, und zwar das offensichtlich hier nur umso mehr, als dass die Einzelfallthese im Gesetzgebungsverfahren bislang von keiner Tatsachenbetrachtung gestützt wird (vgl. nur LT-Drs. 18/9514 Neudruck v. 06.06.2024, S. 84, 104 f.).
Darüber hinaus weist Herr Prof. Huber in der Vorbemerkung zu seiner schriftlichen Stellungnahme auf die seit mindestens 25 Jahren zu betrachtende Abkopplung der Beamtenbesoldung von der allgemeinen Lohnentwicklung hin, was ebenfalls mit den Darlegungen in seiner mündlichen Stellungnahme verbunden werden muss, nämlich dass wir in Deutschland im europäischen Vergleich eine vergleichsweise sehr niedrige Richterbesoldung vorfinden (APr 18/653 v. 05.09.2024, S. 18). Dieses Problem offenbart sich weiterhin im sachlich sehr deutlich die Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation indizierenden zweiten Parameter des bundesverfassungsgerichtlichen ‚Pflichtenhefts‘ und in der nach wie vor eklatant verletzten Besoldungssystematik. Diese weiteren Kontexte führe ich neben anderen in einer umfassenden Betrachtung der Stellungnahme von Herrn Prof. Huber aus, die ich Ihnen im Anhang beifüge.
Am Ende darf man davon ausgehen, dass Herrn Prof. Hubers begründete Darlegung einer seit spätestens 25 Jahren währenden und seitdem nach seiner Darstellung wiederkehrend noch verschärften Abkopplung der Richter- und Beamtenbesoldung von der allgemeinen Lohnentwicklung ebenfalls die vom Bundesverwaltungsgericht nun eingeleitete fundamentale Neubewertung mit im Blick hat, dass angesichts erfolgreicher Klagen von Beamten auf Feststellung mangelnder Amtsangemessenheit ihrer Alimentation nicht mehr selbstverständlich davon ausgegangen werden könne, dass die Alimentation regelmäßig das nach Maßgabe von Art. 33 Abs. 5 GG gebotene Besoldungsniveau übersteige. Damit schließt das Bundesverwaltungsgericht eine übergreifende Verletzung des Alimentationsprinzips in Deutschland nicht mehr regelmäßig aus, was nicht folgenlos für die kommende verwaltungsgerichtliche Besoldungsrechtsprechung bleiben kann (vgl. meine Urteilsanmerkung im jetzt erscheinenden Oktoberheft der Zeitschrift für Beamtenrecht ab der Seite 349).
Im Ergebnis dürften Sie sich als Gesetzgeber nun sachlich mindestens drei ungelösten Problemen gegenübersehen:
1. Der eingeleitete Rechtsprechungswandel des Bundesverwaltungsgerichts wird den prozeduralen Sicherungen als ‚zweite Säule‘ des Alimentationsprinzips zukünftig eine nur umso größere Bedeutung zukommen lassen.
2. Der nordrhein-westfälische Gesetzgeber findet im Gesetzgebungsverfahren bislang vielfach nicht sachgerecht entkräftete Kritik vor, die unmissverständlich auch von Herrn Prof. Huber erhoben wird.
3. Es ist unerheblich, ob sich ein Gesetzgeber in der Lage sieht, sachliche Kritik sachgerecht zu durchdringen oder sie entsprechend zur Kenntnis zu nehmen oder ob das jeweils nicht der Fall wäre. Er ist veranlasst, sie noch im laufenden Gesetzgebungsverfahren sachgerecht zu entkräften. Denn nachträglich dürfte ihm das nicht mehr ohne Weiteres möglich sein.
Da sich der nordrhein-westfälische Gesetzgeber offensichtlich als Ganzer sachlich veranlasst sieht, sich mit den dargelegten Problemstrukturen auseinanderzusetzen, sende ich Ihnen diese Mail gemeinsam zu. Dabei wäre ich Ihnen für eine kurze Eingangsbestätigung verbunden. Aus dokumentarischen Gründen nehme ich die Landtagsverwaltung in den Verteiler mit auf. Aus denselben Gründen wird diese Mail in den nächsten Tage auf der Seite der Berliner-Besoldung veröffentlicht werden.
Mit freundlichen Grüßen“ [3]
Im gerade zitierten Schreiben sind die Fraktionsvorsitzenden und Parlamentarischen Geschäftsführer unter anderem auf das Problem hingewiesen worden, dass die Einzelfallthese im Gesetzgebungsverfahren bis dahin von keiner Tatsachenbetrachtung gestützt worden war. Damit hat die Mail hervorgehoben, dass die Einzelfallthese auch noch am 30. September ausschließlich als ein Postulat zu betrachten gewesen war, das als solches in Anbetracht des Gewichts der zu jenem Zeitpunkt noch nur geplanten Maßnahme des Ergänzungszuschlags zum Familienzuschlag sicherlich kaum eine hinreichende begründende Qualität entfalten konnte, ohne dass es dem Besoldungsgesetzgeber möglich sein dürfte, eine sachgerechte Begründung nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahren noch hinreichend nachzuholen. Denn eine solche Geltendmachung stellt angesichts der Begründungspflichten des Gesetzgebers ein unzulässiges Nachschieben von Gründen dar, sodass sie nicht zur gerichtlichen Kontrolle herangezogen werden kann und dort gegenstandslos bleiben muss.
Man darf davon ausgehen, dass auch diese Kritik von den Adressaten sachlich verstanden worden ist. Sie bedurfte zwar keiner Entgegnung, da die gerade zitierte Mail kein Teil des Gesetzgebungsverfahrens gewesen ist und ihre geäußerte Kritik deshalb als solche keine sachlichen Entkräftung verlangte. Ohne Tatsachenbetrachtung und also ohne Nennung konkreter Fallzahlen drohte jedoch wie in der Mail gezeigt, die Begründungspflicht nicht hinreichend sachgerecht vollzogen zu werden. Eine unzureichende Begründung kann allerdings allein schon zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzes führen. [4] Es sollte also angezeigt gewesen sein, eine entsprechende Fallzahl noch im Gesetzgebungsverfahren zu nennen, um sich als Gesetzgeber nicht dem möglichen Vorwurf auszusetzen, an dieser empfindlichen Stelle des Gesetzgebungsverfahrens keine sachgerechte Begründung vollzogen zu haben. Denn Postulate weisen keine begründende Qualität auf.
Mit seiner eingangs zitierten Aussage bestätigt nun der Minister der Finanzen die begründete Vermutung sowohl von weiteren Sachverständigen, wie sie in der Anhörung ausgeführt worden ist, als auch von Prof. Huber, nämlich dass mit der nun in das Besoldungsrecht eingeführten Regelung des § 71b eine Einzelfallbetrachtung von Tausenden von Fällen notwendig werden wird, um darüber hinaus nun auch das von der Landesregierung prognostizierte Ergebnis gleich mit zu nennen, nämlich dass man ihrerseits davon ausgehe, dass der Ergänzungszuschlag zum Familienzuschlag in einem niedrigen vierstelligen Bereich zu gewähren sei.
Weit mehr als 1.000 Leistungsberechtigte können nun allerdings nicht als Einzelfälle und damit als atypische Sonderfälle, sondern müssen als zu typisierende Regelfälle betrachtet werden, womit hier sachlich kein Raum für eine salvatorische Klausel gegeben ist. Der Minister der Finanzen hatte also am vergangenen Mittwoch den Abgeordneten des Landtags zunächst einmal die Falsifikation der These weniger betroffener Einzelfälle mitgeteilt, damit den nordrhein-westfälischen Besoldungsgesetzgeber von seiner Möglichkeit enthoben, hier eine salvatorische Klausel für atypische Sonderfälle zu betrachten und so unumwunden die Zielsetzung der Landesregierung im zu jener Zeit noch laufenden Gesetzgebungsverfahren präzisiert: nämlich durch eine Art Rechentrick maßgebliche Schutzrechte der Landesbeamten und ihrer Familien missachten, sich über das Grundgesetz erheben und sich hinsichtlich des Besoldungsrechts der Landes Nordrhein-Westfalen ins verfassungsrechtliche Niemandsland absentieren zu wollen. Denn da Herr Prof. Huber die Regelungsmöglichkeit des § 71b als eine salvatorische Klausel verfassungsrechtlich auf wenige atypische Sonderfälle beschränkt sieht, jedoch mindestens über 1.000 zu erwartende Leistungsberechtigte zu prognostizieren sind, die sich in der Summe also nicht als atypische Einzel-, sondern als zu typisierende Regelfälle darstellen, hat der Minister der Finanzen am vergangenen Mittwoch im Ergebnis den offenen Verfassungsbruch eingestanden und eine Art Rechentrick zur Grundlage seiner hier sachlich nicht zu rechtfertigenden Politik erklärt.
Dabei hilft es zugleich sachlich wenig, wenn er Minuten später auf eine weitere Rückfrage hin zu der evident sachwidrigen Vermutung gelangte, dass mindestens über 1.000 zu erwartende Leistungsberechtigte bezogen auf die Gesamtzahl von nordrhein-westfälischen Landesbeamten „ganz, ganz wenige Ausnahmefälle“ darstellen würden. [5] Denn hinsichtlich atypischer Sonderfälle kann als Vergleichsgegenstand nicht ohne Weiteres allein die Gruppe von entsprechenden Eigentümern herangezogen werden, da dann in Anbetracht von vielen Millionen Bürgern in Deutschland, die über Eigentum verfügen, das Schutzrecht aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG vergleichsweise immer leerlaufen könnte. Vielmehr sieht sich der Gesetzgeber gezwungen, sofern er Einzelfälle als atypische Sonderfälle betrachten will, den atypischen Charakter als solchen nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG hinreichend sachgerecht zu bestimmen. Dabei ist es ihm zunächst grundsätzlich nicht verwehrt, eigentumsbeschränkende Maßnahmen, die er im öffentlichen Interesse für geboten hält, auch in Härtefällen durchzusetzen, wenn er durch kompensatorische Vorkehrungen unverhältnismäßige oder gleichheitswidrige Belastungen des Eigentümers vermeidet und schutzwürdigem Vertrauen angemessen Rechnung trägt. [6] Zugleich können allerdings nur dort, wo ausnahmsweise die Anwendung des Gesetzes zu einer unzumutbaren Belastung des Eigentümers führt, Ausgleichsregelungen zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit und zum Ausgleich gleichheitswidriger Sonderopfer in Betracht kommen. [7] Eine Fallgruppe von im Durchschnitt knapp 30 % der Gesamtbevölkerung, die Alleinverdienerhaushalte als Anteil aller in Deutschland lebenden Familien darstellen, kann aber nicht als Ausnahme und damit als atypisch betrachtet werden. [8] Eine solche Betrachtung ist entsprechend abwegig.
Darüber hinaus muss die vom Minister der Finanzen prognostizierte Fallzahl von deutlich über 1.000 Leistungsberechtigten als signifikant zu gering betrachtet werden. Denn nicht umsonst weist die von der Gesetzesbegründung vollzogene Bemessung der Mindest- und gewährten Nettoalimentation evident unzureichende Beträgen aus. Dahingegen muss wegen der materiell-rechtlich bis mindestens in die Besoldungsgruppe A 9 hineinreichenden Verletzung des Mindestabstandsgebots, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit tatsächlich bis in die Besoldungsgruppe A 11 und gegebenenfalls noch darüber hinaus erstreckt, die Zahl von an sich tatsächlich Leistungsberechtigten deutlich über die Prognose der Landesregierung hinausreichen. [9] Als Folge wird so durch die evident sachwidrige Bemessungsmethodik eine hohe Zahl an tatsächlich von der Verletzung des Mindestabstandsgebots Betroffenen von einer Leistungsbewilligung ausgeschlossen, was im Ergebnis ebenfalls den Gleichheitsgrundsatz verletzt. [10]
Zugleich zeichnet sich die Regelung des § 71b durch eine signifikante Ungleichbehandlung der Allein- und Doppelverdienerehe aus, die darin liegt, dass einem alleinverdienden Beamten mit Anspruch auf einen Ergänzungszuschlag zum Familienzuschlag ein materielles Gut gewährt wird, das einem in einer Doppelverdienehe lebenden Beamten ggf. nicht gewährt wird, obgleich beide im selben Amt bestallt sein könnten, worin sich eine nicht zu rechtfertigende Benachteilgung der Doppelverdienerehe offenbart, die durch keinen sachlichen Grund zu rechtfertigen wäre. [11] Die Regelung ist darüber hinaus geeignet, in der gesellschaftlichen Wirklichkeit die Hausfrauenehe zu begünstigen. Dem steht allerdings Art. 3 Abs. 2 GG entgegen, der eine Festschreibung überkommener Rollenverteilungen zum Nachteil von Frauen verbietet. [12] Da die mit entsprechenden Zuschlägen verbundene mittelbare Geschlechterdiskriminierung bereits an anderer Stelle umfassend nachgewiesen worden ist, muss sie hier nicht noch einmal betrachtet werden [13].
Das Gesetz ist am vergangenen Donnerstag in der 77. Plenarsitzung vom Landtag mit den Stimmen der beiden Regierungsfraktionen bei Enthaltung der SPD-Fraktion und gegen die Stimmen der FDP- und AfD-Fraktion weitgehend unverändert angenommen worden. [14] In der Plenardebatte war dabei vonseiten der SPD-Fraktion sachlich schlüssig auf eine unlängst erfolgte Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz verwiesen worden. [15] Dort hat Ende September der Zweite Senat das Berufungsverfahren eines Vermessungshauptsekretärs ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die Besoldung von Beamten in Rheinland-Pfalz in der Besoldungsgruppe A 8 in den Jahren 2012 bis 2014 verfassungsgemäß gewesen sei, da sich das Mindestabstandsgebot nach seiner Überzeugung als unmittelbar verletzt zeige, die dem Beamten gewährte Nettoalimentation die Mindestalimentation in den streitgegenständlichen Jahren zwischen rund fünf und rund 6,9 % unterschritten habe. [16]
Der Minister der Finanzen hatte dahingegen in der 76. Plenarsitzung Rheinland-Pfalz als wegweisendes Vorbild hervorgehoben, dem man vonseiten der Landesregierung ohne Umschweife sachlich gefolgt sei: „Wir folgen mit der Abwägung, die wir hier vorschlagen, exakt dem, was die Ampelregierung in Rheinland-Pfalz bereits umgesetzt hat. Ihre Kollegen in Rheinland-Pfalz haben bereits dieses umgesetzt und das ist schon Gesetzeskraft in Rheinland-Pfalz und wir folgen quasi dem Vorbild ihrer eigenen Parteifreundinnen und Parteifreunden und kommen dazu, dass wir die geringste Annahme eines fiktiven Ehegatteneinkommens unterstellen.“ [17]
Auch damit klammerte er allerdings das gerade festgehaltene Ergebnis des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz aus. Dessen Zweiter Senat hat darüber hinaus festgestellt, dass der Ausgangspunkt zur Bestimmung des als Vergleichsgegenstand zur Mindestalimentation maßgeblichen Nettoalimentationsniveaus weiterhin die aus der bisherigen Besoldungspraxis abgeleitete Bezugsgröße der Alleinverdienerfamilie mit zwei minderjährigen Kindern sei und nicht – wie vom beklagten Land argumentiert – eine Hinzuverdienerfamilie, bei der zu den Besoldungsbezügen noch ein Partnereinkommen im Umfang einer geringfügigen Beschäftigung hinzugerechnet werde. [18] Es liegt entsprechend auf der Hand, dass der Minister der Finanzen mit seinen Vorstellungen, wie er es selbst ausführte, dem rheinland-pfälzischen Gesetzgeber exakt auf dessen Weg folgt, der nun zunächst einmal direkt nach Karlsruhe führt.
An der selben Stelle verwies der Senat darüber hinaus zustimmend auf zwei weitere Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Koblenz, das hinsichtlich der streitgegenständlichen Jahre 2012 bis 2021 aktuell gleichfalls jeweils Richtervorlagen erstellt hat. [19] Die Kammer hat dabei zunächst klargestellt, dass das Verwaltungsgericht bereits in einem Vorlagebeschluss vom 12. September 2013 nach der vom rheinland-pfälzischen Besoldungsgesetzgeber 2012 vollzogenen Abkehr von der Alleinverdienerfamilie als maßgebliches gesellschaftliches Familienmodell hinsichtlich der Jahre 2012 und 2013 entschieden habe, dass die maßgebliche besoldungsrechtliche Bezugsgröße weiterhin die vierköpfige Alleinverdienerfamilie sei, was auch der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts in seiner auf den vorgenannten Vorlagebeschluss hin ergangenen Entscheidung vom 5. Mai 2015 nicht in Frage gestellt habe. [20] Entsprechend hat die Kammer aktuell ebenfalls die Alleinverdienerannahme als weiterhin heranzuziehenden sachgerechten Kontrollmaßstab in der Betrachtung der Jahresnettoalimentation fortgeführt. Dabei hat sie dem Besoldungsgesetzgeber zunächst die sich aus dem Alimentationsprinzip ergebende Verpflichtung vor Augen geführt, nämlich dass die dem Beamten gewährte Besoldung als Ganzes nach Abzug der Steuern den amtsangemessenen Unterhalt für die Beamtenfamilie als Einheit gewährleisten müsse:
„Das Alimentationsprinzip fordert also, dass die amtsangemessene Alimentierung mit dem Beamtengehalt selbst gewahrt wird. Dies schon und vor allem deshalb, weil die Alimentation die Voraussetzung dafür bildet, dass sich der Beamte ganz dem öffentlichen Dienst als Lebensberuf widmen und in rechtlicher wie wirtschaftlicher Sicherheit und Unabhängigkeit zur Erfüllung der dem Berufsbeamtentum vom Grundgesetz zugewiesenen Aufgabe, im politischen Kräftespiel eine stabile, gesetzestreue Verwaltung zu sichern, beitragen kann. Insoweit entfaltet das Alimentationsprinzip eine Schutzfunktion für den Beamten (vgl. BVerfG, Urteil vom 5. Mai 2015, a. a. O., Rn. 119 m. w. N., und Beschluss vom 17. November 2015, a. a. O, Rn. 104). Des Weiteren kann das Berufsbeamtentum seine Aufgabe nur erfüllen, wenn es rechtlich und wirtschaftlich gesichert ist. Nur wenn die innere und äußere Unabhängigkeit des Beamten gewährleistet ist und Widerspruch nicht das Risiko einer Bedrohung der Lebensgrundlagen des Amtsträgers und seiner Familie in sich birgt, kann realistischerweise erwartet werden, dass ein Beamter auch dann auf rechtsstaatlicher Amtsführung beharrt, wenn sie (partei-)politisch unerwünscht sein sollte. Das Berufsbeamtentum wird so zur tragenden Stütze des Rechtsstaates (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. November 2015, a. a. O., Rn. 103). Eingedenk dessen ist für die verfahrensgegenständlichen Jahre von der besoldungsrechtlichen Bezugsgröße der Alleinverdienerfamilie auszugehen.“ [21]
Als Folge der referierten bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist die Kammer am Ende zu dem Schluss gelangt, dass ausgehend von der besoldungsrechtlichen Bezugsgröße der Alleinverdienerfamilie ein Einkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung (sog. Minijob) bei der Bestimmung der Jahresnettoalimentation der Jahre 2012 bis 2021 nicht hinzuzusetzen gewesen sei. Nicht umsonst könne es für die Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung durch den Ehepartner des Besoldungsempfängers vielfältige Gründe geben, die einer Berücksichtigung als weiteres Einkommen bei der Ermittlung der Mindestalimentation entgegenstehen würden. So könne es im vorliegenden Fall etwa so sein, wofür vieles sprechen würde, dass durch das Beamtengehalt allein kein angemessener Lebensunterhalt mehr gewährt worden sei. Ferner könne ein sog. Minijob aufgenommen werden, um sich bzw. der Familie einen höheren Lebensstandard (z. B. ein zweiter oder teurerer Urlaub) zu ermöglichen. [22]
Hinsichtlich eines sachgerechten Kontrollmaßstabs bleibt zugleich nicht erst auf Grundlage der gerade referierten Rechtsprechung und also darüber hinaus sowie als Folge ebenso für das nordrhein-westfälische Besoldungsrecht sachlich hervorzuheben, dass er als Bezugsgröße unabhängig von einem politischen oder gesellschaftlichen Familienleitbild zu betrachten ist, welches als Folge des weiten Entscheidungsspielraums, über den der Gesetzgeber verfügt, auch im Besoldungsrecht der sozialen Wirklichkeit angepasst werden darf. [23] Mit einer solchen Anpassung eines Leitbildes an die soziale Wirklichkeit wird aber nicht das Mindestabstandsgebot als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums aufgehoben und enthebt sich der Besoldungsgesetzgeber also nicht der Pflicht, zur Sicherstellung jenes Mindestabstandsgebots entweder einen neuen sachgerechten Kontrollmaßstab zu entwickeln oder ihr weiterhin die Alleinverdienerannahme zugrundezulegen, worauf der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts den nordrhein-westfälischen Besoldungsgesetzgeber im Mai 2024 in seiner Entscheidung zur Alimentation kinderreicher Beamter unmissverständlich hingewiesen hat, dabei über den unmittelbaren Verweis auf die Entscheidung Richterbesoldung II ebenso den über den alimentationsrechtlichen Mehrbedarf hinausweisenden sachlichen Zusammenhang herstellend. [24]
Die nun vollzogene gezielte Missachtung einer den nordrhein-westfälischen Besoldungsgesetzgeber unlängst mit Gesetzeskraft treffenden bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung – der alimentationsrechtliche Mehrbedarf kinderreicher Beamtenfamilien wird jetzt als Folge des beschlossenen § 91b in Verbindung mit der Regionalisierung des Familienzuschlags auch für kinderreiche Beamtenfamilien [25] in weiten Teilen nicht mehr amtsangemessen beachtet und also in diesen Fällen evident unzureichend abgedeckt – wird zukünftig weitreichende Folgen für den Dienstherrn nach sich ziehen, da mit einer offensichtlich nicht allzu geringen Wahrscheinlichkeit erwartbar ist, dass der Zweite Senat, sofern er entsprechend angerufen werden wird, auf diese gesetzgeberischen Entscheidungen auch des nordrhein-westfälischen Besoldungsgesetzgebers reagieren wird. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass seine betreffenden Entscheidungen so offensichtlich hinter den sich aus der Sachentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 04. Mai 2020 zur Alimentation kinderreicher Beamter ergebenden Anforderungen zurückbleiben, dass dies materiell einer Untätigkeit gleichkommen dürfte.
Wohin die nun vollzogene besoldungsrechtliche Flucht ins verfassungsrechtliche Niemandsland die betreffenden Abgeordneten treibt, bleibt so betrachtet zunächst einmal dahingestellt. Was der mittlerweile zunehmend extreme Vertrauensverlust in die politische Klasse in Deutschland anrichtet, den sie auch mit der Einführung solcher ohne viel Mühe erkennbar evident sachwidrigen Regelungen verstärkt, wie sie das spätestens in den letzten Tagen mindestens in Gestalt der Regierungsfraktionen vorangetrieben hat, zeigen die Wahlen der letzten Jahre in einem immer erschreckenderen Maße. Wer sich in Regierungsverantwortung und als die die jeweilige Landesregierung stützenden Regierungsfraktionen nicht in atypischen Sonderfällen, sondern im betrachteten Fall des Besoldungsrechts regelmäßig als Teil eines offensichtlich bundesweit konzertiert betriebenen Verfassungsbruchs zeigt – der Minister der Finanzen hat das wiederkehrend metaphorisch als „Geleitzug von 13 Bundesländern und des Bunds“ bezeichnet [26] –, der sollte sich nicht wundern, wenn ihm die Bevölkerung als Wahlvolk abhanden kommt, da er mit solchen Entscheidungen das Vertrauen missbraucht, auf dem politische Legitimität gründet. [27] Dass überall in Deutschland das Besoldungsrecht mittlerweile regelmäßig und zunehmend immer hemmungsloser verfassungswidrig gestaltet worden ist und wird, sollte bislang sicherlich großen Teilen der Bevölkerung nicht bewusst sein; das dürfte sich allerdings in Anbetracht der hohen Zahl an Richtervorlagen, über die nach dem Vollzug der angekündigten Leitentscheidungen zügiger entschieden werden wird, mit einiger Wahrscheinlichkeit alsbald ändern. [28] Deshalb muss man hier wohl von einer mittlerweile schwärenden Wunde des Verfassungsrechts sprechen.
Dabei ist die martialische Metaphorik des „Geleitzugs“ offensichtlich durchaus das, was Sprache gerne ist: nämlich verräterisch. Nicht umsonst versteht der Duden unter einem Geleitzug einen „Konvoi aus Handelsschiffen und zur Sicherung mitfahrenden Kriegsschiffen“ [29]. Unabhängig von der Frage, wer hier nun eigentlich im vorliegenden Thema Handels- und wer Kriegsschiff und wie ihr Verhältnis zueinander sei, bringt der Minister der Finanzen mit der von ihm verwendeten Metapher offensichtlich zum Ausdruck, dass es in der gemeinsamen Fahrt als „Geleitzug“ wohl um Schutzinteressen gehen dürfte, womit sich die Frage stellt, was hier nun eigentlich zu schützen wäre, welches Handelsgut – metaphorisch – so wertvoll ist, dass es besser nicht von einem ungeschützten Einzelfahrer transportiert werden sollte.
Die Antwort auf diese Frage liegt dabei auf der Hand, da der Minister der Finanzen zuvor sowohl das Fahrwasser als auch die Route – also das Thema und seine Bewältigung – vorgegeben hat, nämlich die Ablösung des Kontrollmaßstabs der Alleinverdienerannahme durch gesellschaftliche und politische Doppel- und Hinzuverdienermodelle, obgleich beides wie oben dargestellt sachlich nichts miteinander zu tun hat. Entsprechend beschwören derzeit alle betroffenen Dienstherrn, die der Minister der Finanzen mit seiner Geleitzug-These im Blick hat, Einzel- und atypische Sonderfälle, wo zu typisierende Regelfälle zu betrachten wären. [30] Von Zeit zu Zeit werden die Postulate durch reale Zahlen flankiert wie jetzt hier in Nordrhein-Westfalen. Sie offenbaren dabei regelmäßig, dass es in Anbetracht von knapp 30 % Alleinverdienerhaushalten in Deutschland auch hier um nichts anderes geht und gehen kann als um zu typisierende Regelfälle. So ist beispielsweise Hamburg mit der Einführung eines sogenannten Besoldungsergänzungszuschusses im Herbst 2023 von bis zu 1.650 möglichen Anspruchsberechtigten ausgegangen, was bei einer Zahl von 48.270 Beamten und Richtern rund 3,4 % ausmacht. [31] Auch darin offenbart sich mindestens zweierlei, nämlich dass sich das Postulat einiger weniger atypischer Sonder- und Einzelfälle im Sinne einer salavatorischen Klausel in der sozialen Wirklichkeit der Bundesrepublik Deutschland sachlich nicht begründen lässt und dass darüber hinaus die vom Minister der Finanzen genannte Anzahl an Fällen wie oben bereits ausgeführt deutlich zu gering ausfallen dürfte. Dabei ist darüber hinaus in Rechnung zu stellen, dass auch im genannten hamburgischen Gesetzgebungsverfahren die Bemessung der Mindest- und gewährten Nettoalimentation seitens des Gesetzgebers ebenfalls recht freihändig erfolgt ist. [32]
Wer sich also regelmäßig nicht in der Lage sieht, Probleme sachlich zu lösen, sondern eine sachliche Problemlösung nur simuliert, indem er sich wie in diesem Fall nur noch in der Lage sieht, offensichtlich zutage tretende Probleme mittels verfassungswidriger Rechentricks zu kaschieren, der kann kaum auf Vertrauen in seine Politikfähigkeit rechnen, da er trotz anderweitiger Bekundungen in der Sache so nur eines offenbart: seine Unfähigkeit, Probleme zunächst einmal sachlich als solche überhaupt zur Kenntnis zu nehmen und sie als Teil der Realität zu akzeptieren, um sich dieser im Anschluss sachlich anzunehmen und also das zu tun, wofür die politische Klasse in einer Demokratie gewählt wird. Dass sich immer größer werdende Teile der Wähler von den demokratischen Parteien in der Bundesrepublik abwenden, sollte auch in solchem Handeln wie dem hier betrachteten eine der maßgeblichen Ursachen finden. Die Krise der Demokratie ist so verstanden zuvörderst erst einmal eine Krise politischer Verantwortung und so auch ihrer Träger und erst in zweiter Linie eine der politischen Wähler, deren Vertrauen in den Staat auf einer funktionierenden Gesetzgebung, Regierung, öffentlichen Verwaltung und Justiz basiert, die durch eine Simulation politischen Handelns nicht auf Dauer in ihrem Bestand zu garantieren sind.
Wer sich als politische Klasse wiederkehrend unfähig zeigt, mit der Bevölkerung sachlich in einen Dialog zu treten, um so auf zweifellos gegebene Probleme im Sinne des Gemeinwesens zu reagieren und diese Probleme einer Bewältigung zuzuführen, der hat – so sollte man vermuten – Lehren aus der deutschen Zeitgeschichte gründlich missverstanden. Wenn es sich dabei bei jenen Verantwortungsträgern gar noch um promovierte Historiker handelt, ist das für mich kollegial nur umso unverständlicher und inakzeptabler. Simulatoren gibt es im Flugbetrieb und sie sollen dort Abstürze verhindern helfen. Politik als ihre eigene Simulation trägt den Absturz bereits in sich. Die Wahlergebnisse der letzten Zeit dürften dieses Urteil bestätigen: Denn das Volk ist nicht tümlich. [33] Es als solches betrachten zu wollen, um so als politische Klassen von eigener Überforderung abzulenken, bietet keine Lösungsmöglichkeit, sondern ist Teil des Problems.
Anmerkungen:
[1] Vgl. zum vorläufigen Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens die bislang nur als Tondokument vorliegende Aussprache der 77. Plenarsitzung ab Std. 8:53:40 unter https://www.landtag.nrw.de/home/mediathek/video.html?kid=21cd3859-11ff-418a-8276-08e6e39d21df <11.10.2024>.
[2] Vgl. die bislang nur als Tondokument vorliegende Aussage in der 76. Plenarsitzung ab Std. 7:07:49 unter https://www.landtag.nrw.de/home/mediathek/video.html?kid=3dc81ea1-ee9d-4d2e-a9cf-ee33a4d9c543 <13.10.2024>.
[3] Der in der Mail genannte Gesetzentwurf sowie das genannte Ausschussprotokoll APr 18/653 v. 05.09.2024 finden sich unter https://opal.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD18-9514.pdf und https://www.landtag.nrw.de/home/der-landtag/ausschusse-und-gremien-1/fachausschusse-1/a071-unterausschuss-personal/tagesordnungen-und-protokolle-so.html?page=3 <11.10.2024>.
[4] BVerfGE 155, 1 (47 f. Rn. 96).
[5] Vgl. unter [2] ab Std. 7:15:40.
[6] BVerfGE 100, 226 (244), auch unter: https://www.bverfg.de/e/ls19990302_1bvl000791.html <11.10.2024>.
[7] BVerfGE 100, 226 (244).
[8] Vgl. zum Anteil von Alleinverdienerfamilien in Deutschland Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Familienreport 2024, S. 99 ff. unter: https://www.bmfsfj.de/resource/blob/239468/de423b579e88c8cceb55eda13f6e0124/familienreport-2024-data.pdf <11.10.2024>, vgl. auch die im Anhang vollzogene Betrachtung der Ausführungen Prof. Hubers im genannten Anhörungsverfahren ab der Seite 22 ff.
[9] vgl. die im Anhang vollzogene Betrachtung zur Problematik des weiterhin verletzten Mindestabstandsgebots ab der Seite 48 ff., insbesondere ab der Seite 55 ff.
[10] Vgl. im Anhang ab der Seite 68 ff.
[11] BVerfGE 87, 234 (258) unter: https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv087234.html <11.10.2024>.
[12] BVerfGE 87, 234 (258 f.) m.w.N.
[13] Torsten Schwan, Stellungnahme zum Entwurf eines Hamburgischen Besoldungsstrukturgesetzes (HH-Drs. 22/12727) v. 09.10.2023, S. 85 ff. unter: https://bdr-hamburg.de/wp-content/uploads/Gutachterliche-Stellungnahme-Besoldungsstrukturgesetz-Drs.-22-1272.pdf <11.10.2024>.
[14] Beschlussdrucksache 18/10987 v. 09.10.2024 unter: https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD18-10987.pdf <11.10.2024>. Vgl. zur Verabschiedung des Gesetzes unter [1] ab Std. 9:15:20. Der kurzfristig von der SPD- und FDP-Fraktion eingebrachte Entschließungsantrag 18/10994 (https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD18-10994.pdf <11.10.2024>) wurde im Nachklang mit den Stimmen der Regierungsfraktionen abgelehnt.
[15] Vgl. unter [1] ab Std. 8:58:01.
[16] OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 25.09.2024 – 2 A 11745.17 –; die schriftliche Begründung liegt bislang noch nicht vor, vgl. entsprechend die Pressemitteilung 16/2024 unter: https://ovg.justiz.rlp.de/presse-aktuelles/pressemitteilungen/detail/besoldung-von-beamten-in-rheinland-pfalz-in-der-besoldungsgruppe-a-8-in-den-jahren-2012-bis-2014-wegen-verletzung-des-mindestabstandsgebots-verfassungswidrig <11.10.2024>.
[17] Vgl. unter [2] ab Std. 7:10:50.
[18] OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 25.09.2024 – 2 A 11745.17 u. a. –; vgl. die unter [16] genannte Pressemitteilung 16/2024.
[19] VG Koblenz, Beschl. v. 29.04.2024 – 5 K 686.22 u. a. –, unter: https://vgko.justiz.rlp.de/fileadmin/justiz/Gerichte/Fachgerichte/Verwaltungsgerichte/Koblenz/Entscheidungen/Nr_13-2024_VOE_5_K_686-22_KO_Beschluss_-Vorlage_an_BVerfG-_vom_29-04-2024.pdf <11.10.2024>.
[20] VG Koblenz, Beschl. v. 29.04.2024 – 5 K 686.22 u. a. –, S. 20 ff. Vgl. VG Koblenz, Beschl. v. 12.09.2013 – 6 K 445/13.KO –, https://www.landesrecht.rlp.de/bsrp/document/NJRE001167973 <11.10.24>, Rn. 48 f. und BVerfGE 139, 64. Der rheinland-pfälzische Besoldungsgesetzgeber hat mit der Einführung der §§ 41 ff. in der Landesbesoldungsgesetz zum 01.01.2012 (Art. 1 Abs. 1 Anl. III DienstRÄndG RP 2011 v. 20.12.2011 <GVBl. 2011 430>) das Überwiegen von Doppelverdienerehen in der gesellschaftlichen Realität des Landes festgestellt und das zum Anlass genommen, diesbezüglich offensichtlich weitgehend kostenneutrale Umschichtungen im Besoldungsniveau vorzunehmen, vgl. RP-Drs. 16/281 v. 31.08.2011 S. 52 unter: https://dokumente.landtag.rlp.de/landtag/drucksachen/281-16.pdf <11.10.2024>.
[21] VG Koblenz, Beschl. v. 29.04.2024 – 5 K 686.22 u. a. –, S. 23. Die Kammer verweist dabei eingangs auf BVerfGE 44, 249 (Ls. 1, 266 f.) unter: https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv044249.html <11.10.2024>.
[22] VG Koblenz, Beschl. v. 29.04.2024 – 5 K 686.22 u. a. –, S. 41.
[23] Vgl. im Folgenden umfassend bei Torsten Schwan, ZBR 2025, Heft 1 (demn.)
[24] BVerfGE 155, 77 (95 Rn. 37). Vgl. zur Alleinverdienerannahme als sachgerechten Kontrollmaßstab darüber hinaus ebenso in der im Anhang vollzogenen Betrachtung der Ausführungen Prof. Hubers im genannten Anhörungsverfahren Seite 34 f., 39, 48 f., 53 f. u. 56 ff.
[25] Art. 1 Nr. 5 § 91b i.V.m. Anhang 8 zu Art. 1 Nr. 8 NW-Drs. 18/9514 v. 06.06.2024, S. 11 f. u. 48.
[26] Vgl. bspw. nur seine betreffenden Ausführungen in der 76. Plenarsitzung unter [2] ab Std. 7:36:38 und 8:12:02.
[27] Vgl. zur Betrachtung eines entsprechenden Handelns als „konzertierten Verfassungsbruch“ mit bedenkenswerten Argumenten die Gutachterliche Stellungnahme von Prof. Battis im sächsischen Gesetzgebungsverfahren 2022 v. 07.10.2022, S. 13 f. unter: https://www.sbb.de/fileadmin/user_upload/www_sbb_de/pdf/2022/GK_und_FK/Stellungnahmen/StN_Battis_4_Gesetz_dienstr_Vorschriften_10_2022.pdf <11.10.2024>; vgl. zur Problematik des Besoldungsrechts in der Bundesrepublik insgesamt Torsten Schwan, ZBR 2025, Heft 1 (demn.).
[28] Vgl. zur geplanten Beschleunigung im Anschluss an die aktuellen Leitentscheidungen nur BVerfG, Beschluss der Beschwerdekammer vom 21. Dezember 2023 – Vz 3/23 –, https://www.bverfg.de/e/vb20231221_vz000323.html, Rn. 8.
[29] https://www.duden.de/rechtschreibung/Geleitzug <11.10.2024>.
[30] Vgl. insbesondere BW-Drs. 17/7519 v. 25.09.2025 [recte: 2024], S. 77 ff., insbesondere S. 81 und 89, sowie S. 123 unter: https://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP17/Drucksachen/7000/17%5F7519.pdf <11.10.2024>; Senat von Berlin, o.D., Art. 3 Nr. 4, § 40a S. 20 f. sowie S. 4 f., 35 f., 39 ff., insbesondere S. 40, und S. 58 ff. unter: https://oeffentlicher-dienst.info/pdf/be/berlbvanpg-2024-2026-referentenentwurf.pdf <11.10.2024>; BB-Drs. 7/6095 2. Neudruck v. 05.09.2022, S. 10 ff., insbesondere S. 12, S. 44 und 48; unter: https://oeffentlicher-dienst.info/pdf/br/br-d-7-6095.pdf <11.10.2024>; HB-Vorlage vom 10.06.2022, S. 16 ff. unter: https://oeffentlicher-dienst.info/pdf/hb/hb-brembbvanpg-2022-senatsvorlage.pdf <11.10.2024>; HH-Drs. 22/12727 v. 22.08.2023, S. 2 f., 25 ff., insbesondere S. 30, 43 f. unter: https://oeffentlicher-dienst.info/pdf/hh/hh-d-22-12727.pdf <11.10.2024>; MV-Drs. 8/3455 v. 27.02.2024, S. 121 ff., insbesondere S. 124 unter: https://www.dokumentation.landtag-mv.de/parldok/dokument/59983/gesetz_ueber_die_anpassung_der_besoldungsstrukturen_und_zur_aenderung_weiterer_dienstrechtlicher_vorschriften_des_landes_mecklenburg_vorpommern.pdf <11.10.2024>; Nds-Drs. 18/11498 v. 12.07.2022, S. 12 f. unter: https://www.landtag-niedersachsen.de/drucksachen/drucksachen_18_12500/11001-11500/18-11498.pdf <11.10.2024>; RP-Drs. 18/2300 v. 08.02.2022, S. 23 f. unter: https://oeffentlicher-dienst.info/pdf/rp/rp-d-18-2300.pdf <11.10.2024>; ST-Drs. 8/4249 v. 04.06.2024, S. 13 ff., insbesondere S. 15 f., 87 ff., insbesondere S. 90 f., 97, 100, 139 ff., S. 166 und 174 unter: https://oeffentlicher-dienst.info/pdf/st/st-d-8-4249.pdf <11.10.2024>; SH-Drs. 19/3428 v. 01.12.2021, S. 43 ff, insbesondere S. 53 und 57 unter: https://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl19/drucks/03400/drucksache-19-03428.pdf <11.10.2024>; TH-Drs. 7/9853 v. 16.04.2024, S. 80 ff. unter: https://oeffentlicher-dienst.info/pdf/th/th-d-7-9853.pdf <11.10.2024>.
[31] Protokoll 22/8 des Unterausschusses Personalwirtschaft und Öffentlicher Dienst v. 14.09.2023, Anlage 2 S. 5 unter: https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/85116/protokoll_der_oeffentlichen_sitzung_des_unterausschusses_personalwirtschaft_und_oeffentlicher_dienst <11.10.2024>. Vgl. auch im Folgenden Torsten Schwan, Stellungnahme zum Entwurf eines Hamburgischen Besoldungsstrukturgesetzes (HH-Drs. 22/12727) v. 09.10.2023, S. 70 ff.
[32] Ebd., S. 19 ff.
[33] Bertolt Brecht, Da das Instrument verstimmt ist, Gesammelte Werke IX, 1967, S. 624 f.
Betrachtungen zur Stellungnahme des ehemaligen BVR Huber, 23.09.24
Null Unrechtsbewusstsein, nicht einmal ein Mindestmaß an Fehlerkultur, dafür aber ein ausgeprägter Sinn der Selbstversorgung… das ist der Charakter der heutigen Politelite.
Jeder Mensch, der auch nur einen Hauch Gerechtigkeitsempfinden in sich trägt, kann angesichts dessen nur noch Verachtung für die Politik empfinden.
Nahezu sämtliche weitreichenden Entscheidungen der letzten Dekade waren dadurch geprägt, dass sich die politischen Entscheidungsträger erhaben fühlen – ganz nach der Devise Eigen- vor Fremdnutzen. Moral spielte lediglich eine untergeordnete Rolle.
Die Verdrossenheit der Bürger, insbesondere der Beamtenschaft ist schon groß, jedoch noch nicht groß genug.
Ich prognostiziere, dass ohne ein zeitnahes und klares Urteil des BVerfG ein Erodieren unserer Demokratie unaufhaltsam einsetzen wird. Es fehlt jetzt schon am benötigten guten Nachwuchs. Welcher Schulabgänger soll sich auch für den öD entscheiden, wenn er vor Augen hat, wie die Mitarbeitenden im öD verarscht werden?
Und immer mehr derer, die diesen Saftladen am laufen halten, kündigen innerlich.
Es wird Deutschland hoffentlich nicht so ergehen, wie der EU in Sachen Energie- und Migrationspolitik, wo mehr und mehr Mitgliedsstaaten eigene Wege gehen und Kompromisse auf europäischer Ebene nicht mehr mittragen.
Super vielen Dank für diese herausragende Darstellung. Es ist aus meiner Sicht absolut unverständlich, dass in einem Rechtsstaat kaum noch Politiker daran interessiert sind, sich an unsere Verfassung zu halten und Rechtstreue zu zeigen. Wie soll eine Demokratie funktionieren, wenn wir solche Vorbilder haben, die unter Ausnutzung ihrer Machtpositionen daran arbeiten, diese immer weiter auszuhöhlen? Welche Zeichen werden mit diesem verabscheuungswürdigen Verhalten gesetzt? Einfach nur unglaublich…. Man kann nur hoffen, dass auch die Bundesverfassungsrichter/innen diese Entwicklung erkennen und entsprechend deutlich darauf reagieren.
Uns allen alles Gute, André Grashof
Eine absolut hervorragende Kommentierung. Es ist verwunderlich, wie man die Stellungnahme von BVR Huber missverständlich deuten konnte. Haben sie die Verfassung nun vorsätzlich gebrochen, oder die Aussagen von BVR Huber fehlinterpretiert, oder war der Wunsch (nach Haushaltseinsparungen) der Vater des Gedanken? Wir werden es wahrscheinlich nie erfahren, denn das BVerfG unterscheidet nicht nach Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Um es mit Bismarck zu sagen: Das Volk soll besser nicht dabei sein, wenn Gesetze oder Würste gemacht würden, sonst werde ihm schlecht. Und noch ein Sprichwort, leicht abgewandelt: Und ist der Ruf erst ruiniert, regiert es sich ganz ungeniert.