Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
wie mir von verschiedenen Seiten zugetragen wurde, bestehen Überlegungen Ihrerseits die Besoldung in Berlin zeitnah zu modifizieren, nachdem sowohl das OVG Berlin-Brandenburg, als auch das BVerwG festgestellt haben, dass die Besoldung in Berlin offenkundig verfassungswidrig war (und ist – als Hinweis vom Unterzeichnenden).
Zitat aus der Presseveröffentlichung des BVerwG vom 22.09.2017: „Die danach anzustellende Gesamtbetrachtung ergibt ein einheitliches Bild und lässt vernünftige Zweifel am Vorliegen einer verfassungswidrigen Unteralimentation nicht zu.“ Das sollten alle Abgeordneten und Senatoren respektieren, denn diese Aussage ist absolut eindeutig (Fettdruck nicht im Original).
Die Überarbeitung des Besoldungsgesetztes ist alternativlos (auch das Besoldungsgesetz 2016 wurde als verfassungswidrig erkannt), bedenkt man, dass die Senatoren einen Amtseid geleistet haben, der es ihnen gebietet nach Recht und Gesetz zu verfahren und dabei die Verfassung zu beachten und zu schützen. Welche Konsequenzen ziehen Sie aus einem Eidesbruch?
Es wurden mir bereits einige Einzelheiten Ihrer Überlegungen zur Kenntnis gegeben, die – nicht nur aus meiner Sicht – erneut verfassungswidrig sind und die derzeitigen rechtswidrigen Umstände NICHT beseitigen. Das ist absolut unfassbar! Anstatt sich für die vielen falschen Entscheidungen der Vergangenheit bei den Betroffenen zu entschuldigen, die zum Verfassungsbruch seit dem Jahr 2008 führten und SOFORT ADÄQUAT zu reagieren, werden neue verfassungswidrige Varianten in Erwägung gezogen, wohlwissend, dass wieder Jahre vergehen werden, bis das BVerfG auch diese Fehler als erneuten Verfassungsbruch (Eidesbruch) bestätigen.
So möchte ich mit diesem offenen Brief schon vorab einige Argumente und Gedankenanstösse einbringen, um zu verhindern, dass Sie ERNEUT Entscheidungen treffen, die nicht verfassungskonform sind. Damit Sie als Entscheidungsträger umfänglich informiert sind, erscheint es mir wichtig, Sie auf die Leitsätze des neuesten Urteils des BVerfG in Sachen Besoldung hinzuweisen, die Sie in Ihren Überlegungen bislang offensichtlich nicht beachtet haben: Leitsätze zum Beschluss des Zweiten Senats vom 23. Mai 2017 – 2 BvR 883/14 und 2 BvR 905/14 –
Bereits in unserer damaligen Volkinitiative sind Ihnen verschiedene Aspekte vorgetragen worden, die jetzt auch vom BVerwG bestätigt wurden. Dazu gehört u.a., dass die Besoldungs- und die Lohnentwicklung in Berlin dramatisch auseinanderklaffen. Das BVerwG erhielt vom Bundesamt für Statistik eine Tabelle zur Nominallohnentwicklung in Berlin bezogen auf einen 25-Jahreszeitraum, in der ich die Entwicklung der Besoldung gegenübergestellt habe. Ebenfalls von mir eingefügt wurden die Lohnentwicklungen zweier Vergleichsbranchen aus der freien Wirtschaft. Die Tabelle ist im Anhang beigefügt (moderate Berechnung des Besoldungsindex; persönlich hatte ich im Jahr 2003 einen Verlust von 5,69 % trotz 2,4 % Besoldungserhöhung!). Das Ergebnis nach 25 Jahren spricht für sich – im Vergleich mit dem Verbraucherpreisindex, der Ihnen bekannt ist – und zeigt überdeutlich auf, warum mittlerweile so viele Berliner Beamte einen Zweitjob annehmen müssen, um sich und ihre Familien über Wasser zu halten.
Zu Ihrer letzten Entscheidung zur Sonderzahlung im Besoldungsgesetz 2017/2018 und der Unvereinbarkeit mit unserer Verfassung hatte Ihnen auch der Deutsche Richterbund in Berlin (DRB) bereits Einzelheiten dargestellt. Nunmehr wurde diese Erläuterung des DRB sehr deutlich vom BVerfG gestützt, nachzulesen in den o.g. Leitsätzen. Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, verweise ich auf folgende Aussage:
„Aus dem Leistungsgrundsatz in Art. 33 Abs. 2 GG und dem Alimentationsprinzip in Art. 33 Abs. 5 GG folgt ein Abstandsgebot, das dem Gesetzgeber ungeachtet seines weiten Gestaltungsspielraums untersagt, den Abstand zwischen verschiedenen Besoldungsgruppen dauerhaft einzuebnen“
Details entnehmen Sie bitte den Randnummern 74 – 76, 78 und 81 der o.g. Leitsätze (im Anhang beigefügt). Daraus ergibt sich, dass Ihre Intention, ausschließlich die unteren Besoldungsgruppen weiter anzuheben, als die oberen, erneut verfassungswidrig ist.
Die Pressemeldung des BVerwG vom 22.09.17 ist dazu ebenfalls eindeutig: „Da der Gesetzgeber keine bewusste Entscheidung zur Neustrukturierung des Abstands zwischen den Besoldungsgruppen getroffen hat, führt die erforderliche Anpassung der untersten Besoldungsgruppe notwendigerweise zu einer Verschiebung des Gesamtgefüges.“ (Fettdruck vom Uz.)
Das bedeutet, dass Sie (in einem sehr eng vorgegebenen Rahmen) die Erhöhungen der unteren Besoldungsgruppen zwangsläufig bis in die obersten Besoldungsgruppen beschließen müssen. Da die Sonderzahlung Bestandteil der Besoldung ist (was Ihnen durchaus bekannt sein dürfte), sind auch hier Ungleichbehandlungen, wie derzeit von Ihnen beschlossen, verfassungswidrig!
Auch zeitliche Abkopplungen unterschiedlicher Besoldungsgruppen bei den Erhöhungen sind verfassungswidrig (o.g. Leitsätze auch ab Randnr. 87 ff.). Inwiefern dies auch auf die bewusst von Ihnen durchgeführte Abkopplung der Beamtenbesoldung von den Tariflöhnen anzuwenden ist, wird ggf. demnächst mit entschieden. Deutlich bestätigt wurde bereits vom Amt für Statistik Berlin-Brandenburg, dass SIE durch IHRE Entscheidung, die Besoldung erst jeweils im August zu erhöhen, eine Abkopplung in dauerhafter Form sowohl zeitlich als auch in der Höhe vorgenommen haben. Dieser finanzielle Schaden für die Beamten wird NICHT damit behoben, wenn Sie nunmehr dazu tendieren, die Besoldungserhöhungen in das Frühjahr oder die Mitte eines Jahres zu verlegen. Sie begrenzen damit nur den von Ihnen verursachten Schaden, beseitigen aber nicht die Ungleichbehandlung der Beamten zu den Tarifbeschäftigten. Nur durch die zeit- und inhaltsgleiche Besoldungserhöhung zur Tariflohnerhöhung – wie es früher üblich war – erweisen Sie der Verfassung eine gebührende Beachtung.
Nach wie vor bin ich gerne bereit, Ihnen auch persönlich die Situation zu erläutern und unsere umfangreichen Beweismittel zu unterbreiten, die überdeutlich aufzeigen, wie dramatisch die Besoldungssituation in Berlin tatsächlich ist. Das wird nach wie vor von vielen Abgeordneten geleugnet, ohne dass diese sich mit unserem Beweismaterial auseinandersetzen. Wir Kläger haben sämtliche Daten mit Herkunftsquellen bezeichnet, die Berechnungswege erläutert und uns dabei auf Grundlagen gestützt, die im Jahr 2015 vom BVerfG vorgegeben wurden.
Wichtig für Ihre Entscheidung ist noch folgender Fakt: Die zur Berechnung des OVG Berlin-Brandenburg herangezogenen Daten entspringen fehlerhaften Quellen (z.B. PKV), entsprechen zum Teil nicht der Realität und stimmen nicht überein mit den vom BVerfG als Vergleichskriterium angeführten Berechnungen des Richters Stuttmann. Und trotz dieser überaus senatsfreundlichen Berechnungen musste auch das OVG Berlin-Brandenburg die Berliner Besoldung für verfassungswidrig erklären.
Treffen Sie endlich die erforderlichen korrekten Entscheidungen, die zu einer verfassungskonformen Besoldung führen. Das sind Sie nicht nur Ihrem Amt (Amtseid) gegenüber schuldig, sondern auch jeder einzelnen Beamtin und jedem einzelnen Beamten dieser Stadt, die tagtäglich – für eine absolut unangemessene Besoldung – mit aller Kraft versuchen, die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrecht zu erhalten.
Beste Grüße
André Grashof – 16.10.2017
Na endlich mal ein bisschen Kampfgeist! Weiter so !