Die BVerfG–Entscheidung vom 4. Mai 2020 – 2 BvL 4/18 führt zu dem Ergebnis, dass derzeit alle deutschen Besoldungsgesetzgeber (der Bundesgesetzgeber und die 16 Bundesländer, so auch das Saarland) ihre Pflicht zur Gewährung einer amtsangemessenen Alimentation verletzen. Die Verletzung lässt sich für das Besoldungsgefüge des Saarlandes wie folgt konkretisieren, indem auf der direktiven Grundlage von BVerfG vom 04. Mai 2020 – 2 BvL 4/18 –, Rn. 46 ff. der für das Jahr 2021 zu gewährende Alimentationsanaspruch, aufbauend auf der saarländischen Besoldungsgruppe A 4, betrachtet wird. Der Fehlbetrag zwischen der zu gewährenden Mindest- und der tatsächlich gewährten Nettoalimentation beträgt hierbei mehr als 385 € pro Monat. Es fehlen also bereits (auf unzureichender Datengrundlage) aktuell deutlich mehr als 14 % bis zu einer noch amtsangemessenen Alimentation. Das Abstandsgebot (Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau) betrifft vorliegend jedoch nicht nur die niedrigste im Landeshaushalt ausgewiesene Besoldungsgruppe, im Saarland für das Jahr 2021, die Besoldungsgruppe A4, in der ersten Erfahrungsstufe. Ein Verstoß gegen dieses Mindestabstandsgebot betrifft das gesamte Besoldungsgefüge, da sich der vom Gesetzgeber selbst gesetzte Ausgangspunkt für die Besoldungsstaffelung als fehlerhaft erweist. Der Besoldungsgesetzgeber ist danach gehalten, eine neue konsistente Besoldungssystematik mit einem anderen Ausgangspunkt zu bestimmen. (vgl. BVerfG, 04. Mai 2020 – 2 BvL 4/18 –, 5. Leitsatz; und RN 48).
Das BVerfG kann Eilrechtschutz gewähren. Die Beschreitung dieses in § 32 BVerfGG aufgewiesenen Weges wird derzeit im Saarland vorbereitet. Am letzten Wochenende wurde dem saarländischen Landtag und 3 saarländischen Ministerien ein „rechtliches Gehör“ zum eingangs beschriebenen Sachverhalt zugeleitet, um die Möglichkeit zu erlangen, einen entsprechenden Eilrechtsschutz–Antrag an das BVerfG zu stellen. Ich werde berichten.
Ruhende Verfahren bringen nämlich nur eines: Ruhe für den Dienstherrn!
Jürgen Schmitt
Hallo!
Nanu, warum wurde diese Möglichkeit erst jetzt „entdeckt“. Hat da etwa einer Licht im Keller angemacht? Keiner Gewerkschaft (Wogenglätter und Leisetreter), keiner Besoldungsallianz, schlaue Richter, Gutachter und noch viele mehr, ist diese Möglichkeit eingefallen und haben diesen Weg empfohlen oder gar beschritten. Es soll offenbar alles so bleiben wie bisher.
Derweil lachen sich die Besoldungsgesetzgeber in ihren Amtsstuben krumm und schief über unser Phlegma, besonders in Berlin.
Das so viele weitere Bundesländer diese nicht amtsangemessene Alimentationseit langer Zeit nach geäfft haben und das immerhin mit höchst zweifelhaften Erfolg, ist auch kein besonderes Ruhmesblatt für diese Art des Demokratieverständnisses der politischen Verantwortlichen. Wasser predigen und selber Wein sa…. Pardon trinken.
Da bin ich jetzt aber auch sehr gespannt, wie unsere Bundesrichter dem GG und ihrem Urteil zur nicht amtsangemessenen Alimentation, zu Achtung und Respekt verhelfen wollen. Am besten so, indem der Senat endlich gezwungen wird, schnellstmöglich zu Recht und Gesetz zurückzukehren. Auf gehts!
Gruß Ingo
Hallo Ingo,
deine Verwunderung ist verständlich. Dennoch gebe ich zu bedenken, dass der so eindeutig formulierte Beschluss des BVerfG erst im Mai letzten Jahres veröffentlicht wurde. Der nunmehr manifestierte Abstand zwischen der Beamtenbesoldung und der Grundsicherung von 15 % wurde erstmalig in diesem Beschluss festgesetzt. Von daher kann dieser Beschluss als Zäsur in der Beamtenbesoldung verstanden werden.
Basierend auf diesen Beschluss hat sich jetzt die Chance ergeben, im Rahmen des Einstweiligen Rechtsschutz die Landesregierungen zu zwingen, verfassungskonform zu alimentieren. Hierbei war aber zunächst abzuwarten, wie die einzelnen Besoldungsgesetzgeber auf den Beschluss reagieren oder eben nicht reagieren.
Die Konstellation dürfte für uns Kläger noch nie so günstig gewesen sein wie jetzt, um endlich zu unserem Recht zu kommen. Man kann nur hoffen, dass die Richterinnen und Richter des BVerfG genau beobachten, wie die einzelnen Landesregierungen mit dem Beschluss 2 BvL 4/18 umgehen, diesen umsetzen bzw. ignorieren.
Gibts hier was Neues zum Eilrechtsschutzverfahren ausm Saarland?
Hallo Jürgen,
vielen Dank für deinen Beitrag. Dieser Weg klingt sehr interessant und wird hoffentlich dazu führen, dass ein Aussitzen und jahrelanges Hinhalten durch die Landesregierungen zukünftig verhindert wird.
Eine Frage ergibt sich für mich… Wurde dem saarländischen Landtag und den drei Ministerien vom BVerfG ein „rechtliches Gehör“ zugeleitet?
Was passiert, wenn die Adressaten hiervon nicht Gebrauch machen?
Zur Thematik Eilrechtsschutz möchte ich ansonsten ein paar erläuternde Ausführungen anheften, die auf der Hompage des BVerfG zu finden sind.
„Einstweiliger Rechtsschutz
Eine einstweilige Anordnung ist eine vorläufige Regelung. Sie soll die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit der nachfolgenden verfassungsgerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache sichern, insbesondere den Eintritt irreversibler Zustände verhindern.
Beispiel
Die Antragsteller wenden sich gegen eine gerichtlich angeordnete Rückführung ihres Kindes in einen anderen Staat. Ohne bereits über die Verfassungsbeschwerde selbst zu entscheiden, kann das Bundesverfassungsgericht die Vollziehung des Gerichtsbeschlusses vorübergehend aussetzen.
Voraussetzungen
Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nicht erforderlich, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren in der Hauptsache anhängig ist. Es reicht aus, dass nachfolgend ein Hauptsacheantrag gestellt werden könnte, der nicht von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet wäre. Solch ein isoliertes Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wird unter dem Aktenzeichen „BvQ“ geführt; im Übrigen teilt ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung das Aktenzeichen des Hauptsacheverfahrens. Ist bereits ein Hauptsacheverfahren anhängig, kann eine einstweilige Anordnung auch von Amts wegen ergehen.
Nach § 32 Bundesverfassungsgerichtsgesetz setzt der Erlass einer einstweiligen Anordnung voraus, dass dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Der Prüfungsmaßstab ist daher ein anderer als im Hauptsacheverfahren. Entscheidend ist nicht die Erfolgsaussicht im Hauptsacheverfahren, sondern eine Folgenabwägung: Die Folgen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, aber die Hauptsache Erfolg hätte, werden gegenüber den Nachteilen abgewogen, die entstünden, wenn die einstweilige Anordnung erlassen würde, die Hauptsache aber keinen Erfolg hätte. Etwas anderes gilt nur, wenn ein Hauptsacheverfahren von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist; dann kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung von vornherein nicht in Betracht.
Entscheidungsinhalt
Eine einstweilige Anordnung kann grundsätzlich alles anordnen, was zur vorläufigen Regelung dringend geboten ist. Daraus folgt auch, dass ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht bereits auf die mit der Hauptsache begehrte Maßnahme gerichtet sein darf. Ausnahmsweise ist dies doch möglich, wenn der Rechtsschutz sonst möglicherweise zu spät käme und dem Antragsteller kein ausreichender Rechtsschutz in anderer Weise gewährt werden kann.
Die Wirkung einer einstweiligen Anordnung ist auf maximal sechs Monate befristet, sie kann aber wiederholt werden. Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erledigen sich mit der Entscheidung über die Hauptsache. Dies gilt im Zusammenhang mit Verfassungsbeschwerden auch dann, wenn eine Verfassungsbeschwerde ohne Begründung nicht zur Entscheidung angenommen wird.“
Quelle: https://www.bundesverfassungsgericht.de/DE/Verfahren/Wichtige-Verfahrensarten/Einstweiliger-Rechtsschutz/einstweiliger-rechtschutz_node.html